Klangvolle Erinnerungskultur: Eindrücke vom Deutschen Chorfest in Nürnberg
Ende Mai empfing uns mit Nürnberg eine klingende Stadt, in der sich unter das Grundrauschen einer Großstadt der Schall diversester Vokalmusik mischte. Mit den Worten des Liedes zum Auftakt der Eröffnungsfeierlichkeiten: Nun singt alle im Chor, Bass, Alt, Sopran und Tenor! Gemeinsam singen jung und alt im Klang der Stimmen der Vielfalt (Yudania Gómez Heredia) wurde bereits das Motto des Deutschen Chorfestes besungen. Besonders einprägsam war die spontane Begeisterung, mit der Kinder und Erwachsene gleichermaßen mitsangen – ein sichtbares Zeichen für gelebte Solidarität, Frieden und Vielfalt. Prominente Redner wie Bundespräsident a. D. Christian Wulff und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprachen nicht nur von der gesellschaftlichen Bedeutung der Chormusik, sondern erzählten auch von persönlichen Erlebnissen und Erinnerungen, die den authentischen Charakter ihrer Worte unterstrichen.
Eindrucksvoll blieb der Auftritt der jungen Sängerinnen und Sänger des Kinder- und Jugendchores des Fränkischen Sängerbundes sowie des JA!zzchors Würzburg in Erinnerung. Ihre lebhafte und emotionale Darbietung von Oliver Gies’ Stück gegen Ungerechtigkeit und dem Friedenslied „Sisi ni moja“ in Suaheli brachte eine spürbare Emotionalität, die viele Zuhörer:innen sichtbar berührte. Auch der gemeinsame Gesang des hebräischen Kanons „Shalom chaverim“ verlieh der Veranstaltung eine besondere Atmosphäre des gemeinschaftlichen Friedenswunsches.
Ein weiterer bewegender Moment für unsere Arbeitsgruppe Chormusikalische Erinnerungskultur war die Teilnahme am Preisträger:innenkonzert des Arrangement-Wettbewerbs im Germanischen Nationalmuseum zum Deutsch-Jüdischen Liederbuch von 1912, das 2019 in Israels wiederentdeckt wurde. Die abwechslungsreichen und kreativen musikalischen Arrangements, dargeboten von den Moran Singers aus Tel Aviv und dem Sonoris Vokalensemble aus Nürnberg, erzeugten ein intensives Hörerlebnis, das von der Klangwelt klassischer deutscher Chorsätze über Jazzklängen bis hin zu sefardischen Harmonien reichte.
Während Dr. Ludwig Spaenle in seiner Rede mit deutlichen Worten eine mangelnde Aufklärung der Nazi-Verbrechen in Deutschland nach dem 8. Mai 1945 kritisierte, warf Christian Wulff einen Blick auf die Jetztzeit und mahnte zur besonderen Wachsamkeit und Verantwortung gegenüber der Normalisierung faschistischer Ideologien und Geschichtsrevisionismus. Für uns als Forschungsgruppe wurde dadurch noch deutlicher, welche bedeutende Rolle die Chormusik bei der Aufarbeitung und Vermittlung von Geschichte spielen kann. So war das Chorfest in Nürnberg für uns nicht nur musikalisch, sondern auch kulturell und historisch zutiefst inspirierend und lehrreich.
Bericht von: Anton Hermann, Anna Majchrzycka, Anna Schaefer